Predigt von Jean-Gottfried Mutombo zum Politischen Nachtgebet am 13.10.2023

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Guten Abend!

 

Wir haben soeben die Lesung der Zusammenfassung mehrerer Migrationsgeschichten nach Ägypten gehört, die sich in der Lebensrettung treffen und darin gipfeln. Ich danke meinem Kollegen und Freund Friedrich für die Einladung und Eva für das Vorlesen des Textes.

 

Zum einen geht es um Josef. Als Josefs Brüder versuchten ihn zu töten und es nicht klappte, verkauften sie ihn als Sklave nach Ägypten um ihn von sich fernzuhalten. Aus gutem Grund wollten sie ihn loswerden, weil er einen Traum hatte und das gefiel seinen Brüdern nicht. Später wurde er ein Gefangener, dann ein freier Mann und an der Seite des Pharaos zum mächtigsten Mann Ägyptens. Der Pharao gab ihm die Möglichkeit seine Fähigkeiten als Traumdeuter zu nutzen. Josef war für Ägypten ein Segen, so konnte er nicht nur das Land von Hungersnot retten, sondern auch seine Familie. Er war einer der ersten, der erfolgreich Integration angewendet, anerkannt und gewertschätzt hat. Der Name Josef kommt aus dem hebräischen יָסַ ף (yasaph) und bedeutet „ergänzen“, „hinzufügen“.

 

Ich identifiziere mich mit diesem Bild von Josef, wie die Evangelische Kirche von Westfalen mich akzeptiert hat und mir seit 2020 den Status eines vollwertigen Pfarrers verliehen hat. Aktiv im oikos-Institut für Mission und Ökumene, bin ich dort als regionaler Koordinator Münsterlands und als Beauftragter für die Kirchenpartnerschaft in Afrika tätig. Das Geheimnis dieser erfolgreichen Migration liegt darin, dass die Migranten einfach als Menschen gesehen werden, die nach dem Bild Gottes geschaffen sind und die Gottes Liebe widerspiegeln. Sie tragen Träume von einem besseren Leben in sich, aber auch Träume davon, zum Glück der Menschheit beizutragen. Sie müssen lediglich akzeptiert, respektiert und dabei unterstützt werden, sich zu entfalten.

 

Zweitens: Jakob und seine Kinder. Auf der Flucht vor einer Hungersnot verlassen Jakob und seine Kinder, die Brüder Josefs, auf der Suche nach Nahrung ihr Land in Richtung Ägypten in Afrika. Sie sind Wirtschaftsmigranten. Gott billigt diese Entscheidung. Er versichert ihnen seine Gegenwart und ruft sie zu Mut auf: „Fürchte dich nicht“. Gott ist auch damit einverstanden, dass Menschen auch nach Deutschland fliehen. Was treibt sie dazu, ihr Land zu verlassen, selbst wenn sie auch auf dem Fluchtweg ihr Leben riskieren?

 

Viele Menschen leben in Situationen, die all ihre Träume von einem besseren Leben zunichte machen. Es gibt aber auch Menschen, die durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels vertrieben werden. Wieder andere werden durch bewaffnete Konflikte und Kriege vertrieben, die durch die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und anderen Mineralien, die den Wohlstand der Industrieländer sichern, aber dem Menschen vor Ort ein besseres Leben nicht ermöglichen.

 

Ich bin in Katanga geboren und aufgewachsen, einer Region im Kongo, die für ihre Bodenschätze berühmt ist. Gold, Zinn, Tantal, Wolframit für unsere Mobiltelefone, Kupfer und vor allem Kobalt. Da mein Land über 66 % der weltweiten Kobaltreserven besitzt, ist die Herstellung von Batterien, die für die Energiewende, die E-Mobilität und die Digitalisierung nützlich sind, für mein Land unverzichtbar. Diese immensen Reichtümer kommen der kongolesischen Bevölkerung nicht zugute.

 

Rohstoffe im Rohzustand verlassen das Land und lassen Menschen zurück, die sich mit Erdlöchern begnügen müssen, die radioaktiv verseucht sind. Wasser, das durch den Abbau von Mineralien verunreinigt ist, mit Staub, der von Lastwagen erzeugt wird, werden die Rohmineralien auf nicht asphaltierten Straßen abtransportiert. Die wenigen, die sich auf den Migrationsweg begeben, hoffen, dorthin zu gelangen, wo diese Erze die Menschen reich machen.

 

Kommen wir zurück zu Josef. Josef ist das Vorbild für eine Migrationspolitik der Menschlichkeit, die Leben rettet „Wir sind Bürger dieser Welt, Brüder und Schwestern“. Er lehrt uns, Verantwortung zu übernehmen und mit einem warmen Herzen Gutes zu tun. Wir leben hier in einem Land des Überflusses. Einem Überfluss, der auch aus der Arbeit früherer Generationen resultiert, aber auch aus Rohstoffen, die anderswo produziert werden, manchmal unter Ausbeutung, Umweltzerstörung, Verletzung von Menschenrechten und Konflikten. Dies sollte in uns ein Gefühl der Dankbarkeit und Demut hervorrufen. Wir haben uns dafür eingesetzt und werden dies auch weiterhin tun. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass dieser Überfluss nicht nur für uns bestimmt ist. Der Umgang mit dieser Fülle wird uns zur Freiheit führen müssen - Freiheit von Egoismus und Gier, Freiheit, Gutes zu tun, Freiheit zu teilen, Freiheit, Leben zu retten und den Menschen Chancen und Perspektiven zu bieten. Diese Freiheit, die Bekehrung unserer Konsumkultur, bedeutet, für eine nachhaltige Welt zu arbeiten, zum Frieden in einer Welt beizutragen. Eine Welt, die durch Konflikte und Kriege aufgeheizt und auf dem Weg ist, durch den Klimawandel verbrannt zu werden. Es ist unsere individuelle und kollektive Verantwortung, eine Verantwortung der kleinen Schritte, dort, wo wir leben, bei der Befriedigung unserer täglichen Bedürfnisse.

 

Der Hitze der Lebenssituationen müssen wir die Wärme unserer Herzen entgegensetzen. Menschen, die aus ihrem Land fliehen, hoffen, hier unsere offenen und gastfreundlichen Herzen zu finden. Das Herz, das Liebe hervorbringt, ist die Quelle des Lebens. Wir müssen den Menschen und der gesamten Schöpfung mit Liebe begegnen und behandeln, um ihnen das Leben und eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Das ist der Weg, den uns das Evangelium zeigt. Unsere Hände und Füße müssen bereit sein, zu helfen und zu dienen. Wir müssen den Stimmen der Stimmlosen Gehör verschaffen, die Opfer des Klimawandels, wirtschaftlicher Ungerechtigkeit, von Konflikten und Kriegen sind. Der heutige Gottesdienst ist ein Zeichen der Solidarität, ein Mittel, um diesen Stimmen Gehör zu verschaffen, und eine ermutigende Botschaft, dass Afrika nicht vergessen wird. Darüber sind wir sehr dankbar. Um nachhaltig zu sein, braucht unsere Welt mehr Gerechtigkeit und mehr Frieden und mehr Klimaschutz.

 

Gott segne uns alle.

Pfr. Dr. Jean-Gottfried Mutombo